
In dieser Rubrik werden aktuelle Ereignisse mit historischem Bezug im maritimen Umfeld Cuxhavens aus militärischer Sicht vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen Funde bautechnischer Art, an Land ebenso wie auf See. Dazu zählen unter anderem Kriegswracks oder Überreste abgeschossener Flugzeuge im Mündungsverlauf der Elbe sowie der Helgoländer Bucht und gegebenenfalls ihre Bergung. So wird die historische Bedeutung der Region als strategischer Küsten- und Verteidigungsraum anschaulich sichtbar.
Ab Frühjahr 2024, Kampfmittelräumung in der Außenelbe
Im November 2023 berichteten Zeitungen und das Radio über einen Stopp der laufenden Baggerarbeiten im Rahmen der letzten Elbvertiefung. Immer wieder kam es währenddessen zu ungewollten Kontakten mit alter Kriegsmunition aus beiden Weltkriegen. Laderaumsaugbagger hatten in dieser Zeit immer wieder Bomben oder größere Geschosse vor den Pumpen oder direkt in den Sauggeschirren, keine ungefährlichen Situationen. Hauptsächlich traten diese Vorfälle östlich des Leitdamms, zwischen Cuxhaven und Scharhörn auf.
Aus diesem Grund stoppte die Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung (WSV) in diesem Abschnitt weitere Baggerarbeiten, was Folgen für den Schiffsverkehr nach Hamburg darstellte. Besonders davon betroffen waren Fahrzeuge mit großem Tiefgang.
Im Vorfeld der folgenden Kampfmittelbergung, wurde der betroffene Bereich mit dem für solche Aufgaben ausgerüsteten Spezialschiff
Swarog sondiert. Hierbei wurden mehrere tausend Objekte geortet, wobei allerdings nur 101 davon durch ihr magnetisches Signal als Kampfmittel in Frage kamen.
Seit Anfang Mai 2024 hatte die Spezialfirma
SeaTerra mit der Beseitigung der verdächtigen Objekte in etwa 20 Metern Wassertiefe begonnen. Als Basisplattform wurde das Offshore Versorgungsschiff
Aquarius-G verwendet, es verfügt zudem über einen speziellen Bordkran. Weiterhin wurden Unterwassertauchroboter (ROV) und entsprechend ausgebildete Bergungstaucher eingesetzt. Bis März 2025 wurden mehr als 100 Kampfmittel geborgen, gesichert und entschärft wenn es erforderlich war. Darunter schwere verschossene Granaten der Cuxhavener Küstenartillerie, Flakgranaten, Fliegerbomben und zuletzt eine nicht detonierte britische Grundmine. Diese wurde am 21.03.2025 durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst Niedersachsen am
Gelbsand durch Sprengung unschädlich gemacht. Zum Schutz der Tierwelt fand zuvor eine entsprechende Vergrämungsmaßname statt.
Derzeit ruhen weitere Räumarbeiten diesbezüglich, sie sind aber offenbar noch nicht komplett abgeschlossen. Der betroffene Abschnitt ist derzeit wieder frei gegeben.

Aquarius G. während der Räumarbeiten querab Mittelgrund, im Hintergrund Bake Foxtrott.

Im Vordergrund der Leitdamm, Begrenzung vom Wattenmeer zum Fahrwasser der Elbe. Links Aquarius G. , rechts Oberfeuer Gelbsand.

Ein von einem Laderaumbagger aufgesaugtes Geschoss der Küstenartillerie.

Eine weitere, durch die Berger aus der Elbe geborgene 30 cm. Artilleriegranate. Auf Grund des bekannten Durchmessers, kann sie nur durch die Kanonenbatterie Döse verschossen worden sein.
Wie kamen die Kampfmittel in die Elbe ? Weshalb wurden sie erst jetzt so intensiv entdeckt?
Vor und während des ersten Weltkriegs führten die schweren Cuxhavener Küstenbatterien Grimmershörn, Kugelbake und die Kanonenbatterie Döse regelmäßig Schießübungen auf durch Schlepper gezogene Ziele durch. Dies fand in erster Linie im Gebiet des heutigen Mittelgrundes / Lüchtergrund statt.
Im Laufe des zweiten Weltkriegs warfen alliierte Kampfflugzeuge Fliegerbomben auf Schiffe, oder auch im Notabwurf in die Elbe ab. Nebenbei verminte die britische Luftwaffe die Küstengewässer der Deutschen Bucht und der Flussmündungen systematisch. Hier wurden in erster Linie Grundminen durch Fallschirmabwurf verlegt, man sprach von einer regelrechten Verseuchung der Gewässer. Obwohl deutsche Minensuchkräfte vor und nach dem Krieg die Seewege permanent wieder frei räumten, kann es immer wieder vorkommen, dass defekte Sperrmittel die nicht explodierten wieder entdeckt werden. Ankertau- oder Treibminen wurden in der Elbe nicht verlegt. Trotzdem tauchten sie im Krieg immer wieder durch die Drift in der Deutschen Bucht auch hier an. Meistens wurden diese umgehend gesprengt oder durch Beschuss versenkt.
Durch die letzte Elbvertiefung, veränderten sich nun auch auch die Strömungsverhältnisse im Fluss. So wurde an der Westseite offenbar mehr Material abgetragen und die bisher unter dem Sand liegenden Geschosse rollen seitdem die Böschung hinab ins tiefere Fahrwasser und somit in die Saugleitungen der Laderaumbagger.
Übungsschießen auf Seeziele
Neben dem eigentlichen Probeschießen mit den Großkalibern der unterschiedlichen Cuxhavener Küstenbatterien, wurde allerdings noch ein weiteres Verfahren angewandt. Um die eigentlichen Geschützrohre zu schonen, wurden entweder kleinere Geschützrohre verwendet (entweder in diese eingeschoben oder auf diese gebunden, ein sogenanntes Sattelrohr). Dieses sogenannte Abkommschießen mit kleinerer Munition fand regelmäßig statt. Das Ziel bildet entweder verankerte oder von einem Dampfer mit ca. 1250 Meter Leine geschleppte Scheiben, große Holzgerüste, welche mit Sackleinen bespannt und auf einem Floß montiert waren. Die Flöße waren ca. 30 m lang und sechs bis acht Meter hoch.

Kanonenbatterie Döse beim Probeschießen.

Ein mit Tuch bespanntes Schleppziel in einer Feuerpause dicht hinter einem Dampfschlepper.
Quelle: WSV, CN, Gerd Wildfang, M.B. , Privat
Frühjahr 2025, Entdeckung des Hallenfundamentes der Luftschiff - Drehhalle Nobel in Nordholz
Im Vorfeld von Baumaßnahmen am Fliegerhorst Nordholz, wurde währen der Kampfmittelsondierungen das Fundament der Drehhalle Nobel wieder entdeckt. Es ist offenbar unbeschadet in komplettem Zustand durch die Zeit gekommen. Sein Umfang beträgt gut 120 Meter, in der Mitte befindet sich das etwa 7 Meter breite Zentralfundament.
Die Halle selbst war auf Schienen geführt, die auf dem Hauptfundament befestigt waren. In der Mitte befand sich das Zentralfundament, das als Axiallager diente. Innerhalb einer Stunde, konnte das komplette Bauwerk, mechanisch einmal um 360° gedreht werden. Mit diesem Verfahren konnten die großen, windanfälligen Luftschiffee unabhängig von der Windrichtung sicher ein- und ausfahren. Mit einer Länge von 200 Metern, einer Breite von 70 Metern und einer Höhe von 30 Metern war sie die größte Halle ihrer Art.
Während der Bodensondierungen fand man auf dem außerhalb des Fliegerhorstes liegenden Gelände, Überbleibsel aus beiden Weltkriegen. Unter anderem viel verrostetes Altmetall, aber auch Helme, Funkgeräte, unbrauchbare Waffen, Munitionsreste und weitere Dinge. Dies liegt offenbar auch daran, dass direkt nach Kriegsende an dieser Stelle
Reste der 7. Fallschirmjägerdivision interniert waren.

Luftschiff - Drehhalle Nobel am Marineflugplatz in Nordholz

Halle Nobel aus der Luft, gut zu erkennen das Drehfundament.

Ein Bodenscan des Geländes, neben zahlreichen Objekten eben auch das einige Meter unter der Erdoberfläche liegende Betonfundament der Drehhalle Nobel. Die drei kleinen Fundamente sind vermutlich Fixierpunkte (Seilbefestigungen) für Luftschiffe.

Das Fundament dargestellt auf einem heutigen Luftbild, außerhalb des Fliegerhorstes.


Die Luftschiff - Drehhalle Nobel, gelb markiert das Fundament.
Februar 2006, Entdeckung von Fundamenten der Luftschiffhallen "Norbert und Nora" am Fliegerhorst Nordholz
Ende Februar 2006 stießen Bauarbeiter auf dem Gelände des Marinefliegergeschwaders 3 unerwartet auf Fundamente einer Luftschiffhalle aus der Zeit der kaiserlichen Marine. Selbst ausgewiesene Kenner der Geschichte des Luftschiffplatzes und seines späteren Abrisses, hatten mit einem solchen Fund nicht gerechnet. Dank der schnellen Unterstützung und des umsichtiges Vorgehens der Geschwaderleitung sowie der beteiligten Baufirma, konnten die freigelegten Relikte sorgfältig untersuchen und dokumentieren werden.
Erste Nachforschungen ergaben, dass es sich auf Grund des Fundortes nur um eine der beiden Doppelhallen mit den Namen „NORBERT“ oder „NORA“ handeln könnte. Mittlerweile weiß man, dass damals tatsächlich die Fundamente der letztgenannten Halle entdeckt wurden.
Drei der rund 40 Tonnen schweren Betonblöcke, sowie mehrere kleinere Fundament- und Metallteile, konnten für das "Aeronauticum - Nordholz" geborgen werden.
Heutzutage kann man die Fundamente auf dem Freigelände des Museums besichtigen. Sie wurden im ursprünglichen Abstand zueinander aufgestellt, sodass Besucher einen eindrucksvollen Blick, von den gewaltigen Ausmaßen einer solchen Luftschiffhalle erhalten. Diese waren etwa 40 Meter breit und über 180 Meter lang.

Verbliebene Fundamentreste der Halle "Nora", sie waren jahrzehntelang im Boden verborgen.



Abtransport einiger Exponate in das Aeronauticum Nordholz.

Standort der ehemaligen Luftschiffhallen "Norbert und Nora". Heutzutage befindet sich an der Stelle die Feuerwache und der neue Tower.
Quelle: H.R., M.B.
05.08.2019, Sprengung einer alten Seemine aus dem ersten Weltkrieg am Leitdamm vor Döse.
Am 5. August 2019 entdeckten Wattwanderer auf dem Leitdamm vor Döse eine angespülte Seemine aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Trotz ihres Alters von über 100 Jahren befand sich das Kampfmittel in erstaunlich gutem Zustand, ein Umstand der zunächst eine potenzielle Gefahr für die Allgemeinheit vermuten ließ.
Eine tatsächliche Gefahr für die Bevölkerung bestand jedoch nicht, da sämtliche äußeren Zündvorrichtungen der Mine fehlten. Eine unbeabsichtigte Explosion durch Berührung war somit praktisch ausgeschlossen.
Nach dem Fund reagierten die Einsatzkräfte umgehend. Watt- und Strandpromenade wurden geräumt, das nahegelegene Fahrwasser der Elbe sowie der Luftraum über dem Gebiet für etwa zwei Stunden gesperrt. Der Kampfmittelräumdienst des Landes Niedersachsen brachte die Seemine dann weit hinaus ins Watt, wo ein Sicherheitsradius von 1000 Metern eingerichtet wurde.
Gegen 14 Uhr erfolgte dann die kontrollierte Sprengung. Unter Verwendung von 2,5 Kilogramm Sprengstoff wurde die Mine per Fernzündung fachgerecht zerstört. Zuvor waren vorsorglich alle Anwohner und Besucher aufgefordert worden, das Wattgebiet zwischen Kugelbake und Cuxhaven-Duhnen einschließlich der Strandpromenade zu verlassen.
Bei der Mine handelte es sich um eine deutsche Ankerseilmine vom Typ C/77. Diese wurden seinerzeit vielfach als Sperre im näheren Küstenumfeld eingesetzt, um feindliche Vorstöße zu verhindern. Minenfelder befanden sich in der Jade vor Wilhelmshaven, quer vor den Ostfriesichen Inseln, vor den Niederlanden aber auch vor der britischen Küste. Es ist zu vermuten das die gesprengte Mine von weiter westlich hierher vertrieben wurde.
Deutsche Seemine C/77 (Alte Bezeichnung „Kontakttorpedo“)
Konstruktionsjahr: ab 1877
Hersteller: Kaiserliche Marinewerften (u. a. Kiel und Wilhelmshaven)
Verwendung: Küsten- und Hafensperren im Kaiserreich (z. B. Nordsee, Elbe, Weser, Ems, Kieler Förde)
Technische Details
Merkmal | Beschreibung |
---|---|
Merkmal | C/77 („Kontaktmine“, „Kontakttorpedo“) |
Konstruktion | Hohlschale aus genietetem Stahlblech, oben halbkugelförmig, unten leicht abgeflacht |
Höhe der Hohlschale | ca. 75 cm |
Durchmesser | ca. 80 cm |
Zündung | Fünf Kontaktzündhörner (Hertz-Hörner) oben; bei Aufprall verformte sich das Blei, zerschlug eine Glasampulle mit Säure, die die Zündladung chemisch auslöste |
Sprengladung | ca. 70–80 kg Schwarzpulver oder Sprenggelatine |
Befestigung | Genietete Stahlstäbe oder -bügel an der Unterseite zur Verbindung mit Ankerkabel oder Gestell |
Auftriebssystem | Kein selbstständiger Tiefeneinsteller, statisch auf Seil/Anker abgestimmt. |
Gewicht (gesamt) | etwa 250–300 kg, je nach Bauart |

Die angespülte Seemine am Leitdamm vor Döse.

Noch sehr gut erhalten, die Halterung für die Kette.

Vorbereitung zum Abschleppen des Sperrmittels, weiter weg vom Strand ins Watt hinaus.

Zündung der Sprengladung und Detonation des Sprengkörpers.

Nur einige übrig gebliebene verbogene Reste der Hülle.

Rechts eine C/77 auf einem selbst gebauten Sockel. Gut zu erkennen die Bleikappenzünder (Herz-Horn-Zünder).

Quelle: CN. M.B.
29.06.2018, Sprengung einer 28 cm. Panzersprenggranate im Watt vor Duhnen
Mit einem lauten Knall und einer kurzen Erschütterung wurden die Bewohner von Duhnen und Döse am Freitagmorgen dem 29. Juni 2018, beim Frühstück überrascht. Noch bevor sich die ersten Wattläufer auf den Weg machten, sprengten Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Niedersachsen um 8:24 Uhr eine Panzersprenggranate aus dem Ersten oder Zweiten Weltkrieg. Der Fundort lag nur wenige hundert Meter vor Duhnen in Höhe Dünenweg im Wattenmeer.
Das Entschärfungsteam war bereits gegen 6:30 Uhr von Arensch aus zum Fundort aufgebrochen. Kurz zuvor hatten Fußgänger das stark versandete Geschoss im Watt entdeckt. „Es handelte sich um eine 28 Zentimeter große Panzersprenggranate, die dort vermutlich seit mindestens 75 Jahren lag“, erklärte Einsatzleiter Mohr. Nachdem die Granate kontrolliert gesprengt worden war, wurde der betroffene Wattbereich wieder für die Besucher freigegeben.
Aus welcher Cuxhavener Batterie das Geschoss ursprünglich abgefeuert wurde, ließ sich nicht mehr feststellen. Aufgrund des Kalibers kommen jedoch nur das Fort Kugelbake, das Fort Thomsen oder der Marine - Schießplatz Altenwalde als mögliche Ursprungsorte infrage.
Quellen: CN, MB, Privat.
