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Das Leben und die Aufgaben in der Marineflakbatterie

Die Besatzungen der einzelnen Marineflakbatterien Cuxhavens bestanden bis 1943 hauptsächlich aus Flakartilleristen (Soldaten), einigen Marinehelferinnen sowie russischen Kriegsfreiwilligen. Im weiteren Verlauf des Krieges wurde ein Großteil der aktiven Soldaten durch Marinehelfer (Schüler höherer Schulen) abgelöst, die dann für den Fronteinsatz, andere Standorte oder Marineschiffe frei wurden.
Die noch minderjährigen Marinehelfer (Kindersoldaten) wurden durch die am 22.01.1943 verabschiedete Notdienstverordnung eingezogen und entsprechend zum Dienst zwangsverpflichtet. Marinehelferinnen war dieser Dienst erst ab dem 18. Lebensjahr auf freiwilliger Basis erlaubt. Beide wurden durch intensive Schulungen vor Ort auf ihre entsprechenden Aufgaben an den Geräten und den Geschützen der Batterien ausgebildet.
Neben der militärischen Ausbildung wurde weiterhin großen Wert auf den Schulunterricht, viel Sport, Benehmen, Gehorsam und Zusammenhalt gelegt.

In den weiteren Anhängen werden diverse Berichte aus dem Heft "Marinehelfer in der Batterie Kugelbake" wiedergegeben. Der ehemalige Marinehelfer Harald Schönemann und einige weitere ehemalige Angehörige der Stellung, schildern hier eindrucksvoll ihre Aufgaben und Erlebnisse in dieser schwierigen Zeit.

Ich möchte mich hiermit ganz herzlich bei der Familie Schönemann für die Erlaubnis zur Veröffentlichung dieser sehr seltenen Lebensberichte aus dem Heft "Marinehelfer in der Batterie Kugelbake" bedanken. Nur so funktioniert Geschichte, in dem sie erzählt wird. Gleichwohl, wie sie damals auch gewesen war.

Martin Brütt


Foto rechts: Harald Schönemann, Geb. 26.10.1926 / Gest. 11.10.2015, Cuxhavener und ehemaliger Angehöriger der schweren Flakbatterie Kugelbake als Marinehelfer (Kindersoldat).


Foto der Batterie Kugelbake von 1945 mit den Geschützführern, den Marinehelferinnen und den Marinehelfern

Namen zum Batterie-Foto von 1945
 

1.Reihe unten von links nach rechts:
Jedritzkowski, Reiter, Lorberg, Müller, Noak, Mangels, (?), (?), (?),Lünstedt, Fritz Gronemeyer, (?), (?), (?).
 
2.Reihe von unten von links nach rechts:
Reinhold, Hummel, Steffen, Greil, Zimmerling, Buchmann, Gorsky, Matthäus,  v.Schilling, Grabow, Schünemann, Gädicke, Behn, Lindmeyer.
 
3.Reihe von unten von links nach rechts:
Hoops, Kamieth, Döring, Kähler, Weber, Brandes, Jung, Michaelsen, (?), Dolatka, Weidemann, Kemme, Fuchs, Schiller.
 
4.Reihe von unten von links nach rechts:
(?), Clara Schambert, Magret Schröter, (?), (?), Wilma Hungerland, Anna Krause (oder Osinski), Leni Zrischling, Molitor, Königsamen, Edert, (?), Feldmann, Leni Winter, (?), (?), (?), Ehn.
 

5.Reihe von unten von links nach rechts:
Amelung, Vogl, (?), Volpert, Remde, Silbernagel, Au, Sams, Hümer, Förster, (?), Hermann, (?), Mitsching.
 
6.Reihe von unten von links nach rechts:
Pohlmann, Barthold, Junge, Hensen, Satow, Koeppe, M.Müller, Müller, Cordes, Beneke, Rodewald, (K.?), Piefke, Schutte, Koops, Dittmer.
 

7.Reihe von unten von links nach rechts:
Stache, Schmidt, Keßler, Piening, Eberhard, Peters, Lorenz, Coschois.
 
(Bemerkung: Die Liste wurde bei Kriegsende 1945 aufgestellt. K.-H.H.)


Eingeteilte Gefechtsposten in der Batterie 1945

  1. Geschütz: Feldwebel Gädeke
  2. Geschütz: Obergefreiter Daube
  3. Geschütz: Feldwebel Schünemann
  4. Geschütz: Obergefreiter Jakobi

Leitstand 1 und 2: Hauptfeldwebel Grabow (Flakleiter)

Flakhochstand Ost: Obermaat Hummel


Foto rechts: Alle Geschütze der Batterie Kugelbake feuern im Salventakt
Quelle: Marinehelfer in der Batterie Kugelbake


 Die Kriegslage 1943

Am 2.Februar 1943 musste sich die eingekesselte 6. deutsche Armee in Stalingrad ergeben. Diese Kapitulation kennzeichnete die Wende im 2.Weltkrieg.Bisher galt der deutsche Soldat als unbesiegbar. Doch von nun an setzten an fast allen Fronten die Rückmarschbewegungen ein. Die Rote Armee ging zum Gegenangriff über und eroberte die von den deutschen Truppen besetzten russischen Gebiete zurück.
 Anfang des Jahres „14.-25.1.1943 ‚beschlossen Churchill und Roosevelt während der Konferenz von Casablanca, dass Deutschland, Italien und Japan nach dem Sieg der Alliierten "bedingungslos kapitulieren" sollten. Mitte Januar, 16./17.1.1943, griffen 256 britische Bomber die deutsche Reichshauptstadt an. Große Schäden entstanden. Mit Durchhalteparolen und dem Aufruf zum "Totalen Krieg" versuchte Goebbels in einer Großkundgebung im Sportpalast den doch aussichtslosen Kampf zu verlängern.
Engländer und Amerikaner verstärkten durch die Tag- und Nachteinsätze ihre Luftangriffe auf die deutschen Städte. Hierbei waren nicht nur Industriezentren und Rüstungsbetriebe das Angriffsziel der Flugzeuge. Eine Stadt nach der anderen sank in Schutt und Asche. Die Zivilbevölkerung hatte große Verluste zu beklagen. Vor diesem Hintergrund konnte es keinen Zweifel mehr geben: Der Krieg war für Deutschland verloren.
 
Doch für die Fortführung der sinnlosen Vernichtung sollten die letzten Reserven mobilisiert werden. Noch gab es in der Heimat viele Männer im wehrpflichtigen Alter. Sie waren in der Landwirtschaft oder in den Fabriken tätig. Kurzerhand wurden sie als Soldaten eingezogen und die Frauen mussten die Männerarbeit übernehmen.
Auch waren viele Soldaten bei der Flak in der Heimat, um die Städte gegen die Bombenangriffe der feindlichen Flugzeuge zu verteidigen. Viele dieser Soldaten wurden von Schülern abgelöst. Diese Jungen wurden dienstverpflichtet, ausgebildet und mussten an den Scheinwerfern, Horchgeräten, Rechengeräten und auch an den Geschützen ihren Dienst tun. Während der Jahrgang 1926 bereits aus der Schule entlassen war und frei für diesen Dienst war, wurden die Jahrgänge 1927 und 1928 neben ihrer Ausbildung in den Flakstellungen von ihren Lehrern unterrichtet. So mussten z.B. die später hinzugekommenen Schüler der damaligen Höheren Staatsschule (heute Gymnasium Abendrothstraße) jeden Morgen zur Schule fahren und bei Alarm schnellstens die Batterie aufsuchen.

Harald Schönemann


Ergänzung

Die Batterie Kugelbake war ein Teil der MFLAA 214 (Marine-Flugabwehr-Abteilung) die wiederum Teil der 4.MAA (Marine-Artillerie-Abteilung) war, zu der auch neben der Flak weitreichende Seegeschütze gehörten, z.B.in der Batterie "Hipper’,die uns benachbart war. Unsere Batterie hatte die Feldpostnummer M22405 K (24) Marinepostamt Hamburg, (wegen der Geheimhaltung).

 

Jeder aber wusste, daß sie in Cuxhaven an der Elbmündung unmittelbar neben dem Seezeichen Kugelbake errichtet worden war. Einmal sahen wir in der Wochenschau unserer Geschütze mit der Kugelbake im Hintergrund und dazu der Kommentar: "Der Atlantikwall ist gerüstet, mag der Feind nur kommen!" - Da mussten wir alle furchtbar lachen. Im Funkverkehr hatte unsere Batterie den Decknamen "Kohlhase’, was auch jeder wusste, denn unser Batteriechef Kolander, ein Schauspieler hieß mit bürgerlichem Namen so...

 

In diese Batterie wurden wir vor 50 Jahren‚ also 1943 als Marinehelfer eingezogen. Das ist der Anlass, weshalb diese kurze Chronik in diesem Jahr entstanden ist. Der eigentliche Grund aber ist der, daß mit unserer Generation das Wissen um die Geschichte der Batterie im 2. Weitkrieg verloren gegangen wäre. Pattberg hat in seiner Monographie: Marinefestung Fort Kugelbake, die Geschichte der Batterie bis etwa zum Ende des 1.Weltkrieges dargestellt. Seine Hauptaufgabe sah er darin,. die Architektur der Festung im Zustand und der Veränderung zu beschreiben und durch Karten zu dokumentieren. Allerdings hat er über den 2.Weltkrieg nur wenige Worte verloren. Über die Nachkriegszeit und über die weitere Nutzung des Forts hat Max Kaule in seinen Erinnerungen (unveröffentlicht im Stadtarchiv Cuxhaven) berichtet.

 

Wir ehemaligen Marinehelfer sehen es als unsere Aufgabe an, möglichst viel über die Batterie mit ihrer Lage, technischen Ausstattung und ihrem täglichen Leben in der damaligen Zeit zusammenzutragen um dieses Wissen für die Nachwelt zu retten. Dank schulden wir in unserem Bemühen einigen noch lebenden Soldaten, Helferinnen und Witwen von Soldaten der Batterie, die ihr Wissen und /oder Erinnerungsstücke beitrugen. Wir betonen: Wir sind keine "Militaristen’, sondern geschichtlich interessierte Bürger unserer Stadt, die hiermit einen Beitrag zur Stadtgeschichte leisten wollen.

Aus dem Heft "Marinehelfer der Batterie Kugelbake" von 1995


Abschied aus der Batterie (Crew 3), ganz links "Spieß" Matthäus, Mitte Batteriechef Schilling, rechts Oberfeldwebel Grabow.


Nachwort

Ich hoffe, daß ich mit der Sammlung der kleinen Erlebnisse, der Bilder und der Dokumente dazu beitragen kann, daß eine Zeit, die wir intensiv miterlebt haben, uns in Erinnerung kommt. Sie war ein Stück auf unserem Lebensweg und ist wert festgehalten zu werden. Sie war ein Teil unserer Jugendzeit, die durch die Kriegsereignisse und deren Folgen überschattet war. Jeder hat nach dem Kriege versucht, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und es zu gestalten. Das ist nicht immer leicht gewesen. Hoffen wir, daß künftigen Generationen durch Vernunft und Erkenntnisse es erspart bleibt, eine solche Zeit mit den darauffolgenden Nachwirkungen zu erleben.


Harald Schönemann - 1995

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