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Und einmal wieder auf die Insel Scharhörn….

Kurt Meinert aus Krefeld erinnert sich zurück an neun Monate der Kriegszeit 1942, auf dem einsamen Vorposten in der Elbmündung.
(Von Günter Rettmer aus Duhnen / 2003)

Mit sehnsuchtsvollen Blicken schaute Kurt Meinert aus Krefeld während seines Urlaubs in Duhnen immer wieder vom Stand über das Watt nach Neuwerk und weiter bis nach Scharhörn. Zu gern hätte er seiner Frau während des Urlaubs eine Fahrt zu der Insel ermöglicht, auf der er von Januar bis Oktober 1942 neun Monate als Marine-Artillerist verbringen musste.

Seine damals geführten Tagebücher wurden in seiner Heimat (er ist gebürtig aus Zittau in der Lausitz) beschlagnahmt, aber in seiner Erinnerung ist die Zeit auf Scharhörn immer noch lebendig. Seine damalige Einheit hatte ihr Hauptquartier im Seemannsheim Cuxhaven hinter dem Deich gegenüber der Sanftleben-Beckmann Werft, und auf dem Turm der Wetterwarte. Bei Donners Hotel durfte er sogar als einfacher Dienstgrad Marineoffiziere an der dort montierten 2-cm-Flak ausbilden.

Im Januar 1942 wurde er nach Scharhörn versetzt und in Duhnen von einem Kameraden abgeholt, der ihn sicher über das mit einer dicken Eisdecke belegte Watt an Neuwerk vorbei nach Scharhörn führte. Dabei stellten sich seine „Knobelbecher“ als wahrlich geeignetes Schuhzeug für eine solche Eiswattwanderung heraus. Sein Kamerad machte ihm klar, dass es auf Scharhörn keinen „Cuxhavener Hof“ gäbe und auch keinen „Jonny Mann" mit hübschen Tänzerinnen, mit denen man flirten könne, sondern nur Himmel, Wasser und Sand in Mengen, womit man fertig werden müsse.

Vor Scharhörn hatten sich damals mächtige Eisschollen als Barriere aufgetürmt, die den Eindruck einer Arktisstation und nicht den einer Außenstelle einer Marineeinheit machten. Auf Scharhörn befanden sich damals die Kombüse und eine große Mannschaftsbaracke auf zwei Meter hohen Pfählen, eine kleinere Baracke lag vier Meter, und das „Hauptquartier“ sogar sieben Meter hoch.

Alle Baracken waren durch Treppen und Leitern miteinander verbunden. Auf dem Sandboden stand die Baracke für das Dieselaggregat zum 60 cm-Scheinwerfer. In einer kleinen Baracke konnte sich der „Ausguck“ bei schlechtem Wetter unterstellen, eine große Boje hing dort, auf die bei Gefahr Alarm geschlagen wurde.

Eine Sturmflut hatte am 8. Dezember 1941 die Wintervorräte an Trinkwasser und Heizmaterial mitgenommen, wegen einsetzender Vereisung war Scharhörn nun abgeschnitten und Nachschub kam nur bis Neuwerk. Das brachte ein Rasier- und Waschverbot (außer mit Schneewasser), Schnee musste in Töpfen in die Kombüse gebracht werden, damit der Smutje kochen konnte. An der Fahrwasserrinne wurde mit Enterhaken jedes Stück Holz für die Heizöfen aufgefischt, Petroleumlampen und Kerzen sorgten für Licht. Für das Radio gab es bereits keine Batterien mehr.

Seine erste Nacht auf Scharhörn verlief für Kurt Meinert schlaflos, denn sein Spindnachbar hatte ihm das Bild seiner Freundin an der Spindtür gezeigt. Das gleiche Bild hatte der Neuankömmling auch für seine Spindtür in der Tasche, das Foto von Ella aus Sahlenburg von der er am Abend vorher hatte Abschied nehmen müssen.

Im Februar erscholl eines Tages der Ruf „Alle Mann an die Eiskante, Holz in Sicht“. Das Wasser war voller Holz, wahrscheinlich von einem versenkten Schiff, so dass ganze Pakete von gehobelten Brettern mit Nut und Feder gestrandet werden konnten. Für die Kanonenöfen war somit genügend Heizmaterial vorhanden. Brot wurde

in den vereisten Wochen durch Knäckebrot und Zwieback ersetzt. Der letzte Zwiebackkarton wurde Anfang März angebrochen. In der Not bastelten die Scharhörner aus den gestrandeten Brettern zwei große Schlitten, mit denen sie dann nach Neuwerk zogen, wo sie jubelnd begrüßt wurden. So kam dann auch die Weihnachtspost im März endlich nach Scharhörn. Bei der Rückwanderung mit den schwer beladenen Schlitten gerieten die Soldaten in aufkommenden Nebel. Um 17 Uhr hätten sie wieder auf der Insel sein können, aber um 22 Uhr hatten sie ihr Ziel immer noch nicht erreicht. Nach kurzer Essensrast riss die Nebeldecke auf, sternenklar sah der Trupp, wie weit sie nach Westen von der Richtung abgekommen waren. Auf neuem Kurs hörten sie plötzlich Hundegebell: Inselhund Bello hatte sie gefunden. Morgens um fünf kamen sie abgekämpft auf Scharhörn wieder an. Abgeschossene Signalraketen ihrer Kameraden auf der Insel hatten sie weder gehört noch gesehen. Allmählich zog sich der Winter zurück und Trinkwasser konnte endlich wieder in 200 Liter-Fässern angeliefert werden, man durfte sich wieder waschen und rasieren. Auch die Seevögel zeigten, dass der Winter zu Ende ging. Kolonien von Seeschwalben, Austernfischern sowie Silbermöwen und anderen Arten, beschäftigten die Soldaten nun neben ihrem Dienst. Sie zählten nach Anweisung der Vogelwarte Helgoland die verschiedenen Gelege und markierten sie. Aus einigen Nestern sammelten sie Eier für den Eigengebrauch und verteidigten sich mit einem Stock, den sie über ihrem Kopf kreisen ließen, um die besonders angriffslustigen Seeschwalben abzuwehren. „Ihre Kotbömbchen trafen die Sammler allerdings zielsicher“ hielt der Chronist fest. Einmal gelang der lnselbesatzung, der Abschuss einer der vielen einfliegenden Bomber. Die Maschine fanden sie nicht im Watt, allerdings zwei tote englische Flieger, die in ihren Taschen Materialien hatten, die Hilfe bei Notlandungen geben sollten.

Die Truppenbetreuung hatte natürlich auch die Scharhörner nicht vergessen und schickte eine Schriftstellerin mit einer Cuxhavener Begleiterin. Für die Kindergeschichten von „Klein Kathrin“ gab es von Seiten der Soldaten allerdings keine Begeisterung, und ihr Gast zeigte sich sehr beleidigt. Die Begleiterin verlangte nach Musik und tanzte nacheinander mit allen Soldaten, denen das „ein wonniges Gefühl" vermittelte. Die Beschwerde der Schriftstellerin über ihren Scharhörnaufenthalt wies eine höhere Stelle zurück, „Soldatenunterkünfte seien kein Königsberger Lesezirkel!“.
Ende September 1942 durfte Kurt Meinert wieder nach Cuxhaven zurückkehren, nach dem Einsatz in der Batterie 'Stand Heide', kam die Einheit dann noch nach St. Nazaire in Frankreich.
lm Ove-Ovens-Haus war er anschließend noch zu einem Geschützführerlehrgang gewesen, ihren Ausbilder nannten sie damals nur „Ameisenbär“. Flug- und Seezielschiessen gehörten weiterhin zu ihrer Ausbildung. An das Flugzeug, dass die „Zielscheibe“ in der Luft hinter sich herzog, den Prahm auf dem das Ziel für das Seezielschiessen aufgebaut war, und vom einem Schlepper gezogen wurde, können sich sicherlich noch viele ältere Neuwerker, Duhner und Döser erinnern.

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