
Die 1. Sperrbrecherflottille der Kriegsmarine wurde im September 1939 zunächst als „1. Sperrbrechergruppe“ aufgestellt und im Juli 1940 in eine Flottille überführt. Ihre Aufgabe bestand darin, Minenfelder und Netzsperren für nachfolgende Verbände zu räumen oder zu öffnen. Ein gefährlicher Dienst, der vor allem in den Küstenvorfeldern und Einfahrten der deutschen Häfen stattfand.
Mit der zunehmenden Bedrohung der südlichen Nordseeküste und der Flissmündungen durch alliierte Minenwürfe verlagerte sich das Einsatzgebiet der Flottille ab 1940 verstärkt in die Deutsche Bucht. Ab März 1942 wurde die1.SPBF der 5. Sicherungs-Division unterstellt, deren Stab sich in Cuxhaven befand. Damit wurde Cuxhaven zum organisatorischen Mittelpunkt der Flottille und zugleich zu einem ihrer wichtigsten Ausrüstungs- und Sammelhäfen.
Von hier aus liefen die Sperrbrecher zu Sicherungs- und Minenräumfahrten in den Zugängen von Elbe, Weser und Jade aus. Zeitgenössische Hafenmeldungen nennen wiederholt Cuxhaven als Liege- und Reparaturhafen einzelner Fahrzeuge, verschiedener Sperrbrechereinheiten. Auch nach der Kapitulation 1945 blieben mehrere dieser Schiffe im Dienst: Sie wurden in den German Mine Sweeping Administration (GMSA) übernommen, die ebenfalls in Cuxhaven einen ihrer Hauptsammelhäfen unterhielt.
Damit war Cuxhaven über den gesamten Kriegs- und Nachkriegszeitraum hinweg ein zentraler Standort für die deutschen Sperrbrecherverbände, zuerst als militärischer Stützpunkt der Kriegsmarine, anschließend als Basis des alliiert beaufsichtigten Minenräumdienstes. Ausgangsort für viele Konvoifahrten nach Norden oder Westen war die Altenbrucher Reede vor Cuxhaven. Hier sammelten sich die Frachtschiffe, um ihre Fahrt unter Schutz der Sperrbrecher, Minensucher, Flakjäger und Vorpostenboote relativ sicher durchführen zu können.
Quellen:
- Württembergische Landesbibliothek Stuttgart: Seekrieg 1939–1945 – Sperrbrecher 1–8
- Lexikon der Wehrmacht: Eintrag Sperrbrecherflottillen
- DeWiki: Artikel Sperrbrecherflottillen
- Brit. Admiralty Reports / German Mine Sweeping Administration (1945–47)
- Deutsche Kriegstagebücher
1. Grundprinzip und Aufgabe der Sperrbrecher
Sperrbrecher waren speziell ausgerüstete Schiffe, die
vorausfahrend Minensperren (Seeminen = Sperrwaffen) durchquerten, um den Weg für andere Schiffe (Konvois, U-Boote, Truppentransporter) frei zu machen.
Sie sollten Minen zur Explosion bringen, bevor das eigentliche Zielschiff den Bereich erreichte.
Typische Besatzungsgröße: 80–120 Mann
Verdrängung: 5.000–10.000 BRT (umgebaute Handelsschiffe, Frachter, Walfänger oder Fischdampfer)
2. Technische Schutzeinrichtungen
Einrichtung | Zweck | Beschreibung |
---|---|---|
MES-Anlage (Magnetischer Eigenschutz) | Schutz vor magnetischen Minen | Elektrische Spulen um den Rumpf erzeugen ein Gegenfeld, um den Magnetismus des Schiffsrumpfs zu neutralisieren. |
VES-Anlage (Voraus-Eigenschutz) | Auslösung magnetischer Minen vor dem Schiff | Starke Stromkreise erzeugen ein Magnetfeld, das Minen schon mehrere Dutzend Meter voraus zur Detonation bringt. |
VES-Kabelschleifen | Feldverstärkung | Mehrfach um Bug und Seiten verlegte Kabel, um das Feld gezielt nach vorne zu lenken. |
„Entmagnetisierungs- schleifen“ (Degaussing) | Basis-Magnetfeldkompensation | Schiff wird beim Passieren spezieller Anlagen „entmagnetisiert“. |
Verstärkter Rumpf | Stoß- und Splitterschutz | Doppelte Beplankung, zusätzliche Spanten, Beton- oder Holzschichten im Vorschiff zur Dämpfung von Druckwellen. |
Ballasttanks und Schottenverstärkung | Überlebensfähigkeit | Teilweise mit Zement oder Wasser gefüllt, um bei Minentreffern den Auftrieb zu erhalten. |
3. Bewaffnung (typisch 1940–1944)
Waffenart | Kaliber / Typ | Einsatz |
---|---|---|
Hauptbewaffnung, schwere Flak | 1 - 2 × 10,5 cm SK C/32 oder C/33 (Einzelfassung) oder 1 - 2 x 8,8 cm SKL/45 | Gegen See- und Luftziele, oft aus Marinebeständen älterer Kriegsschiffe. |
Flakbewaffnung, leichte Flak | 2 - 4 × 3,7 cm Flak, 2 - 10 × 2 cm Flakvierling | Schutz gegen Tiefflieger, Torpedobomber, Minenleger. |
Maschinenwaffen | MG 34 oder 42 auf Lafette | Nahverteidigung, Decks- und Brückenschutz. |
Wasserbombenwerfer / Werfgeräte | Typ Wabo-Gerät C | Gegen Unterwassergefahren, besonders bei Minenräumung oder Geleitschutz. |
Rauchgerät / Nebelerzeuger | Diverse Typen | Zum Schutz der Formation oder Verschleierung nach Explosionen. |
Viele Sperrbrecher führten die Bewaffnung einer kleinen Fregatte oder Korvette, sie konnten sich im Gefecht durchaus behaupten.
4. Ortungs- und Navigationsausrüstung
Gerät / Verfahren | Beschreibung |
---|---|
ASDIC / Sonar (selten) | Einige Sperrbrecher verfügten über einfache Echolote oder Horchgeräte, um Grundminen zu erkennen. |
RDF / Funkmess (Radar) | Spätere Einheiten (ab 1943) erhielten Radar zur Minenfeldnavigation bei schlechter Sicht. |
UKW-Funk / Kurzwellensender | Kommunikation mit Geleitkräften und Marineleitungen. |
Kursaufzeichner und Kompasssysteme | Präzise Steuerung beim Durchqueren enger Minenfelder. |
5. Typische technische Umbauten
- Verstärkte Bugsektionen mit Beton, Holz und Stahlplatten
- Feste Ballastierung zur Stabilisierung nach Explosionen
- Zusätzliche Notgeneratoren für MES-/VES-Systeme (oft 80 V Gleichstrom)
- Abschirmung der Maschinenräume gegen elektromagnetische Felder
- Spezialkabeldurchführungen durch die Außenhaut für MES/VES-Leitungen
6. Unterschied M.E.S.- und V.E.S. Verfahren
Merkmal | M.E.S. - Verfahren | V.E.S. - Verfahren |
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Ziel | Neutralisierung des magnetischen Eigenfelds des Schiffes, um Minen nicht auszulösen. | Bewusste Verstärkung und Vorverlagerung des Magnetfelds, um Minen vor dem Schiff auszulösen. |
Wirkungs- prinzip | Kompensation des Rumpfmagnetismus durch gegenläufige elektrische Spulenfelder (Entmagnetisierung). | Erzeugung eines künstlichen Magnetfelds vor dem Schiff durch stromdurchflossene Kabelschleifen (Vorausfeld). |
Technische Umsetzung | Kupferkabel oder Spulen verlaufen um den Rumpf; Stromfluss kompensiert das Schiffs-Magnetfeld. | Kabelschleifen um Bug und Seiten; Feld wird in Fahrtrichtung „verschoben“, oft mit Eisenkern zur Feldverstärkung. |
Ergebnis | Schiff ist „magnetisch neutral“, magnetische Minen bleiben inaktiv. | Magnetische Minen werden bereits vor Bugkontakt ausgelöst, Schiff bleibt unbeschädigt. |
Typische Anwendung | Handelsschiffe, U-Boote, Kriegsschiffe aller Art. | Sperrbrecher, Minensuchboote, Spezialfahrzeuge in verminten Gewässern. |
Vorteile | Geringer Energiebedarf, dauerhafter Schutz. | Aktive Minenräumung vor dem Schiff, geeignet für stark verminte Gebiete. |
Nachteile | Wirkt nur passiv, bei falscher Justierung keine Wirkung. | Hoher Stromverbrauch, komplexe Steuerung; gefährlich bei fehlerhafter Abstimmung. |
Einsatz im WK.2 | Standardausrüstung fast aller größeren Kriegsschiffe. | Spezielle Ausrüstung vor allem bei Sperrbrechern der Kriegsmarine. |
Quellen / Nachweise
- Erich Gröner: Die deutschen Kriegsschiffe 1815–1945, Bd. 8/2: „Sonderfahrzeuge“, Bernard & Graefe 1993.
- Siegfried Breyer: Deutsche Kriegsschiffe 1939–1945, Bd. 3: Hilfsschiffe, Podzun-Pallas 1995.
- Bundesarchiv RM 45/839: „Bau- und Ausrüstungsunterlagen der Sperrbrecherflottillen“ (1940–1944).
- Klose, D.: „Der Magnetische Eigenschutz (MES) der Kriegsmarine“, Marine-Rundschau, Jg. 1941, H. 8.
- Wikipedia: VES-Anlage